Lyricon
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Gefährdete Schönheit


Pflänzlein zart, du Enzian,
Tautropfen noch auf den Blättern,
morgenliche Sonnenröte über den Wiesen
sich in deinem tiefen Blau verliert.

Schwere Schritte sich nähern,
Gras unbeachtet nieder stampfend,
gierige Blicke verzehrend auf dir ruhen,
bevor der Mann sich nieder bückt.

Grobe Hände nach dir greifen,
streifend deine Glöckchen,
derb umfassend deinen Stengel,
um in Besitz zu nehmen dich.

Sich nicht scherend um Verbote,
dir zum Schutz gemacht,
nicht interessierend für deine Gefühle,
spielt er aus seine Macht.

Unberührt bis eben noch gewesen,
schlank und schön die Zier der Wiesen,
kannst du nichts entgegensetzen,
der schmerzhaft rohen Gewalt.

Musst ungewollt geschehen lassen,
was unvermeidbar scheint,
zerbrechen für seine Befriedigung
die doch nicht lange hält.

Begehrend hin und her gezerrt,
reist es an deinen Wurzeln,
die Verbindung zum Boden schwindet,
ein Todeskampf beginnt.

Stumme Schreie hallen ungehört
über die weiten Wiesen,
brechen sich in der Berge Schluchten,
wie auch du dabei zerbrichst.

Getrennt von Boden und deiner Blüte,
achtlos am Wegrand zurück gelassen,
Tränen aus dem Stengel schießen,
Zeugen deines tiefen Schmerzes.

 




Plötzlich wieder fremde Hände,
diesmal eher zart und einfühlsam,
feuchtes weiches Tuch
um den geschundenen Körper legen.

In seltsam unbekannter Geborgenheit
schwinden langsam deine Sinne,
nur nicht fühlen und erinnern,
was soeben mit dir geschah.

Im Kreise anderer Enziane erwachend,
fühlst du wieder Erde um deine Wurzeln,
Wasser sanft umspülend dich erfrischt,
ein Fünkchen neue Hoffnung dir gebend.

Mit der Tage endlosem Verstreichen
auch deine Wunden langsam heilen,
nur vergessen kannst du noch nicht,
die Angst noch immer in dir lebt.

Es kommt der goldene Herbst,
gefolgt vom leisen Winter,
dich mit Laub und Schnee bedeckend,
bringen sie endlich Ruhe dir.

Mit des Frühlings ersten warmen Strahlen
kommt auch wieder Kraft in dich,
wächst langsam Stück für Stück,
neuer Lebensmut in dir.

Der Sommer gibt zurück dir Stärke,
die Angst vor fremden Schritten schwindet,
so wie du mit ihnen statt Gewalt,
liebevolle Umsorgung verbindest.

Dann kommt der Tag zu Ende des August,
an dem du wieder voll erblühst,
deine süßen blauen Glöckchen
wieder in der Sonne Strahlen leuchten.

Pflänzlein zart, du Enzian,
Tautropfen wieder auf deinen Blättern,
die morgendliche Sonnenröte zu aller Freude,
sich in deinem tiefen Blau erneut verliert.

 
a.m.





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Ersterstellung: 24.09.2010 Weiterblättern >>>

Mysterien der Natur - Lyrik für den anderen Blick auf unser Leben
a.m.