Lyricon
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Zeit


Es rieselt Sand von einem Gefäß
herab in ein anderes,
seit Hunderten von Jahren schon,
um wie die Uhr am Kirchenturm
dem Menschen aufzuzeigen,
wie die Zeit vermeintlich verrinnt.

Einerseits wird vom Vergehen gesprochen,
doch was nach unserem Verständnis vergeht,
lässt Neues stets entstehen,
muss jedoch zuvor aus irgendwas geboren werden.
Andererseits soll Zeit vermeintlich fließen,
doch niemand sieht und spürt den Fluss.

Dem Einen rennt die Zeit davon,
für Andere schleppt sie sich dahin,
manche Handlungen zum Wettlauf mit der Zeit erklärt,
wobei der laufende Konkurrent ein Zeiger scheint,
der unerbittlich vorwärts drängt
solang das Pendel schwingt.

Zeit allgegenwärtig in der Menschen Denken,
scheinbar notwendig für das Begreifen
ihres und der Dinge Sein,
subjektiv-objektivierte Grundlage für viele Regeln
doch bezüglich der Begriffsverinnerlichung
wirkt sie noch immer irgendwie diffus.

In vielen Sagen und Märchen
der Hüter der Zeit auf einem Berge sitzt,
mit weißen Haaren und sehr langem Bart,
an einem großen Rad kontinuierlich drehend,
die Zeit wie einen unendlichen Faden
auf eine große Rolle zwingt.

Ganz konsequent und kompromisslos klar
dagegen Zeit physikalisch wird beschrieben,
als ein Fortschreiten der Gegenwart
von der Vergangenheit in irgendeine Zukunft,
als erklärt unumkehrbarer Verlauf
vom Gestern zum Morgen.

In der relativierenden Theorie Zeit ganz relativ,
gar als unsichtbare Dimension betrachtet wird,
die zusammen mit dem Raum
eine vierdimensionale Raumzeit bildet,
wobei Gegenwart nur einen Punkt besetzt,
von Vergangenheit und Zukunft raumartig getrennt.

In der Philosophie aber,
fragt man trotz so schicker Definitionen
noch immer ganz beharrlich weiter,
nach dem Wesen der Zeit,
ob sie erst vom menschlichen Bewusstsein erschaffen
oder unabhängig davon existiert.

So streiten die vermeintlich Wissenden,
nunmehr auch mit Unterstützung der Psychologie
gar trefflich schon seit Jahren,
Wahrnehmung und Gedankenprozesse einbeziehend,
wie auch Erinnerungen und Zeitgefühl,
das Bewusstsein dabei nicht vergessend.



 




Weite Teile der gelehrten Welt
hierbei zunächst zu Einen scheint,
drei Dinge als untrennbar zu betrachten:
Zeit und Gedanken
zusammen mit menschlichem Bewusstsein
als gemeinsame Erscheinung anzusehen.

Nach dieser Sicht wäre dann
die Vorstellung einer objektiven Zeit
möglicherweise eher individuell,
nur das Gedankenspiel einer Identität,
auf Erinnerungen basierend,
nach Sicherheit und Kontinuität strebend.

Herr Leibnitz einst bestritten hat,
dass Zeit ein Wesen besäße
oder sie im Fluss begriffen sei.
Zeit für ihn nur ein gedankliches Konstrukt,
um Beziehungen zu beschreiben,
zwischen unterschiedlichen Ereignissen.

Raum und Zeit dagegen,
mit fiktiven Behältern vergleichend,
die sich mit Ereignissen füllen,
Herr Newton eine andere Position bezieht.
Zeit als scheinbar reales IST fixiert,
von Moment zu Moment stets gleichmäßig tickend.

Da Wissenschaft immer in Entwicklung ist,
Zeit im wechselhaften Verlauf der Geschichte
so unterschiedliche Vorstellungen weckte,
wohl davon ausgegangen werden kann,
dass auch die jetzt vorherrschende Sicht
nicht für immer unveränderlich sein dürfte.

Heute träumen Menschen noch immer,
trotz oder wegen der Erkenntnis Verlauf,
Zeit vor oder zurück drehen zu können,
Ereignisse gleich einem Film zu spulen,
Löcher zum Springen in andere Zeithorizonte zu nutzen,
zwischen Zeiten hin und her zu reisen.

Wahrnehmung allein ins Visier genommen,
wird Zeit auch weiterhin von Jeden anders empfunden,
für Manchen halbwegs linear verstreichend,
für Andere einmal rasend schnell,
ein anderes Mal unendlich schleppender vergehend,
egal, wie gleichmäßig die Digitaluhr tickt.

Vielleicht sollte deshalb man auch daran denken,
unser Leben in des Körpers Hülle ist befristet,
durch eine möglichst mit Glück erfüllte Lebenszeit.
Sie auszufüllen und zum Reifen zu nutzen,
könnte deshalb genauso von Bedeutung sein,
wie Zeit und ihr Wesen zu klären.
 

a.m.





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Erstentwurf am: 04.09.2010
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Nachdenken - Lyrik zu Begriffen und Handlungsweisen, über die es sich vielleicht einmal nachzudenken lohnen könnte.
a.m.


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